Definition und Prinzipien der Neuraltherapie
Entdeckt wurde die Neuraltherapie durch die deutschen Ärzte Ferdinand und Walter
Huneke 1925, die Entdeckung des Störfeldes erfolgte 1940.
Die Neuraltherapie nach Huneke ist eine Injektionsbehandlung. Es wird eine Substanz mit feinster Nadel an ganz bestimmte Stellen des Körpers gespritzt. Diese Substanz ist ein örtliches Betäubungsmittel (Procain oder Lidocain). Der Sinn der
diagnostischen Injektion (Spritze) ist die präzise, kurzzeitige Ausschaltung einer
bestimmten Struktur, derjenige der therapeutischen Injektion eine Regulation. Die
Neuraltherapie wirkt auf das unwillkürliche Nervensystem (vegetatives oder
autonomes Nervensystem). Dieses besteht aus einem Netzwerk von Millionen feinster Nervenfasern. Dieses Netz verbindet alle Körperteile untereinander, damit jeder Teil über den andern informiert ist.
So sind die Haut, die Muskulatur, das Innere Organ auf einer bestimmten Ebene (Segment) informativ miteinander verbunden über diese Nervenfasern. Schmerzen, Entzündungen und anderweitige Erkrankungen beeinflussen auf einer bestimmten Ebene immer alle drei Systeme.
In einem Teufelskreis kann bei einer Irritation auf dieser Körper-"Ebene" die Muskulatur sich verspannen, die Zirkulation sich verschlechtern, dadurch die Schmerzen sich verstärken und auch Entzündungen können zunehmen. Nach einer sorgfältigen klinischen Untersuchung können wir mit feinster Nadel eine geringe Menge Procain an bestimmte Stellen und Verbindungsstellen spritzen. Dadurch wird der Teufelskreis unterbrochen. Die Durchblutung wird nun wieder besser, die Entzündung wird sich vermindern, die Muskelverspannung wird zurückgehen. Auch wenn das Procain längst nicht mehr als Substanz vorhanden ist, bleibt in der Regel dieser verbesserte Zustand erhalten. Das heisst: Mit der Neuraltherapie werden gezielte Reize gesetzt und bestimmte Nervenverbindungen für kurze Zeit unterbrochen, damit der Körper die Chance bekommt, sich wieder selbst zu einem normalen Zustand zu organisieren. Die Fähigkeit des Organismus zur Selbstorganisation wird ausgenutzt.
Die verursachende Struktur, welche einen Teufelskreis wie oben beschrieben
unterhält, kann jedoch auch weit entfernt von diesem Ort liegen. Weil dieses feinste
Maschenwerk von Nervenfasern jede Region mit jeder anderen Region im Körper
verbindet, kann es zu so genannten "Fernstörungen" kommen: Die "verursachende
Struktur" muss dabei nicht einmal selbst schmerzen: es kann sich um einen
erkrankten Zahn, eine Narbe (allerdings hat nicht jede Narbe einen negativen
Einfluss), eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung usw. handeln. Gelingt es,
diese Struktur (in der Neuraltherapie nennen wir diesen entzündeten oder sonst
veränderten Bezirk Störfeld) vom Nerven-Netzwerk abzutrennen durch (wiederholte)
Injektion von Procain, kann sich eine fern abgelegene Erkrankung oder ein
chronischer Schmerz wieder bessern oder sogar ausheilen.
Die Neuraltherapie ist also geeignet für akute und chronische Schmerzen und
Funktionsstörungen.
Beispiele hierzu sind:
- Migräne
- Neuralgien
- atypische Gesichtsschmerzen
- Rückenschmerzen
- punktuelle oder generalisierte Verspannungs-schmerzen an der Muskulatur Schmerzen bei Arthrosen
- "Ischias"-Beschwerden
- blockierten Gelenken
- Polyarthritis (Störfelder!)
- Schleudertrauma
- chronische Nasennebenhöhlen-Entzündungen
- Schwindel
- Verdauungsbeschwerden
- bei welchen die Abklärungen nichts "Fassbares" ergaben
- verschiedenartige Durchblutungsstörungen usw.
Die gezielte Suche und Therapie des Störfeldes in der Praxis zeigt auf, dass mit der
Diagnose meist nur ein Symptom bezeichnet wird und nicht der Grund der
Erkrankung. So kann eine Migräne z.B. bedingt sein durch einen verlagerten
Weisheitszahn oder durch eine Blinddarm-Narbe usw. Wenn wir im Migräne-Anfall
dann die Blinddarm-Narbe anspritzen und der Anfall verschwindet augenblicklich,
dann wissen wir den wirklichen Grund. Durch exaktes Zuhören erfahren wir es vom
Patienten, wenn nämlich vor der Blinddarm-Operation noch nie eine Migräne
existierte. Häufig genügt bei einem solchen Beispiel das ein- oder zweimalige
Anspritzen der Blinddarm-Narbe, damit Anfallshäufigkeit und -Intensität abnehmen.
Oft werden die Patienten völlig beschwerdefrei. Dies ist ein beliebiges Beispiel aus
der Praxis. Selbstverständlich ist nicht jede Blinddarmnarbe ein Störfeld.
Mit der Neuraltherapie betreiben wir also nicht nur "Therapie", sondern auch
Diagnostik.
Weitere Beispiele: Wir können beispielsweise am Bewegungsapparat
oder bei Neuralgien im Kopfbereich durch die kurzzeitige Betäubung der erkrankten
Struktur exakt herausfinden, wo die Störung liegt. Dies ist sonst nicht einmal mit
teuren computerisierten Röntgenbildern möglich. Es existiert in diesem Sinne
überhaupt keine präzisere und kostengünstigere Diagnostik als diejenige mit
Lokalanästhetika (diagnostische Neuraltherapie).
Tritt sofort nach der Injektion für Tage bis Wochen eine Schmerzlinderung oder
Schmerzfreiheit auf, wird die Injektion an demselben Ort wiederholt bis zur
endgültigen Schmerzfreiheit.
Tritt eine Schmerzfreiheit nur bis zu 20 Minuten auf, entspricht dies nur der
Anästhesiewirkung des Procains ohne anschliessende Selbstorganisation des
Organismus. Eine Wiederholung ist nun nicht sinnvoll, es müssen übergeordnete
Zonen im Segment oder auch Störfelder gesucht und behandelt werden.
Experimentell konnte gezeigt werden (Ricker), dass das vegetative Nervensystem
auch in der Peripherie eine Art Gedächtnis hat: So können weit zurück liegende
krankhafte Reize gespeichert werden. Treffen in diesem System nun "normale" Reize
ein, wird die Antwort des entsprechenden Abschnittes dieses Nervensystems
krankhaft ausfallen. Das "Löschen" dieses Gedächtnisses mittels Neuraltherapie ist
somit eine kausale Massnahme und einer der Gründe für die lang anhaltende
Wirkung bei richtiger Anwendung der Neuraltherapie.
Der russische Neurophysiologe Speranski hat ausserdem in ausgedehnten
Tierversuchen vor Jahrzehnten gezeigt, dass viele schwere, chronische Krankheiten
und Schmerzzustände durch Störfelder verursacht werden können. Wurden diese
Störfelder neuraltherapeutisch behandelt oder eliminiert, wurden die Versuchstiere in signifikanter Weise wieder gesund. Speranski prägte den Satz, basierend auf seinen Experimenten: "Krankheit ist Reizbeantwortung des Organismus unter dem führenden Einfluss des Nervensystems". Dies schliesst nicht aus, dass dann sekundär biochemische und zelluläre Mechanismen auch in Mitleidenschaft gezogen werden. |